Rohstoffe

Gips- und Anhydritphasen

In Abhängigkeit von den Rohstoffen und vor allem den Brennbedingungen entstehen im Herstellungsprozess verschiedene Modifikationen des Gipses und des Anhydrits, die auch als Phasen bezeichnet werden. Leistung und Know-how der Gips herstellenden Unternehmen bestehen u.a. darin, die verschiedenen Phasen zielgenau in optimaler Art und Menge zu erzeugen und zu Bindemitteln mit exakt definierten Eigenschaften zu mischen.

Calciumsulfat-Dihydrat (CaSO4·2H2O)

Natürliches Gipsgestein, auch Rohgips genannt, besteht als Ausgangsstoff der Gipsherstellung aus Calciumsulfat-Dihydrat, ebenso der in technischen Prozessen gewonnenen Gips, z.B. REA-Gips. Gleichzeitig liegen alle abgebundenen Endprodukte als Dihydrat vor, also beispielsweise Gipsplatten, Gips-Wandbauplatten, Gipsputze und -Spachtelmaterialien. Die Übereinstimmung von Ausgangsstoff und Endprodukt ist eine der Besonderheiten von Gipsbaustoffen.

Calciumsulfat-Halbhydrat (CaSO4·½H2O)

Calciumsulfat-Halbhydrat entsteht im Brennprozess des Gipses, der auch Kalzinieren genannt wird. Technisch relevant sind zwei unterschiedliche kristalline Formen: α- und β-Halbhydrat, die unterschiedliche physikalische Eigenschaften bei gleicher chemischer Zusammensetzung haben. α-­Halbhydrat­-Gips wird unter Druck in Autoklaven bei Temperaturen im Bereich von 100 bis 150 °C hergestellt; ein Teil der Autoklav­Anlagen arbeitet diskontinuierlich, bei anderen Anlagen findet die kontinuierliche Arbeitsweise Anwendung. α-­Halbhydrat bildet einen sehr harten Gips und dient zur Herstellung von Formgipsen sowie Gipsbaustoffen und Spezialgipsen für Anwendungsgebiete mit besonderen Anforderungen.

Vor allem in Großkochern und kontinuierlich zu beschickenden Drehrohröfen wird β-Halbhydrat bei Temperaturen von etwa 120 bis 180 °C gewonnen.

Anhydrit III (CaSO4)

Anhydrit III wird auch als lösliches Anhydrit bezeichnet und existiert ebenfalls in zwei Formen, die als β-­ und α-­Anhydrit III bezeichnet werden. Er entsteht im Brennprozess durch weitere Entwässerung des Halbhydrats bereits bei Temperaturen ab 100 °C.

Anhydrit II (CaSO4)

Anhydrit II entspricht in seiner chemischen Zusammensetzung dem natürlich vorkommenden Anhydrit. In der industriellen Produktion entsteht das Material bei der vollständigen Entwässerung von natürlichem oder technisch entstandenem Dihydrat, Halbhydrat oder Anhydrit III. Die Umwandlung zu Anhydrit II beginnt unter Laborbedingungen bei 200 °C, die Bildungstemperatur im technischen Prozess liegt bei 300 bis 900 °C. Es wird deshalb auch von Hochbrand-Gips gesprochen, der sich nach der Brenntemperatur und Reaktionsfreudigkeit mit Wasser in drei Varianten unterscheiden lässt: Anhydrit II­s ist schwerlöslich und entsteht unterhalb von 500 °C, das unlösliche Anhydrit II­u bildet sich zwischen 500 und 700 °C. Darüber entsteht Anhydrit II­E (sogenannter Estrichgips).

Anhydrit I (CaSO4)

Werden die Brenntemperaturen noch weiter erhöht, bildet sich ab etwa 1.180 °C Anhydrit I, das historisch auch als totgebrannter Gips bezeichnet wurde.

Mehrphasengips

Moderne Brenntechnik und die genaue Kenntnis der ablaufenden Prozesse erlauben in Rostbrandöfen oder Trägergas-Brennanlagen heute die Herstellung von Mehrphasengips, bei dem die verschiedenen Phasen in den jeweils gewünschten Anteilen schon beim Kalzinieren entstehen.


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